Pressemitteilung “2. Netzwerktag der Wirtschaftsnetzwerke”

Sprachen vor beeindruckender Kulisse im Schloss Herrenhausen: Die Geschäftsführer und Vorsitzenden von elf Wirtschaftsnetzwerken aus Hannover und der Region und Dr. Andreas Sennheiser (4.v.r.).

 

Soziologe Welzer warnt auf 2. Netzwerktag der Wirtschaftsnetzwerke:

Konzerne wie Amazon haben sich
in Datensammelkonzerne verwandelt

„Sie hat dafür gerackert und geschuftet“, kündigte Moderatorin Daniela Spott de Barrera die Initiatorin des 2. Netzwerktags Anfang September vor 400 Unternehmern im Schloss Herrenhausen an: Birgit Feeß, Geschäftsführerin von Pro Hannover Region, mit rund 400 Mitgliedsunternehmen größtes Wirtschaftsnetzwerk in der Region. „Ich hatte 2014 eine Vision – die hiesigen Wirtschaftsnetzwerke über eine Netzwerkveranstaltung zu vernetzen. Dazu bin ich auf die Köpfe dieser Netzwerke zugegangen“, sagte Birgit Feeß. Nicht lange zum 2. Netzwerktag bitten ließen sich in diesem Jahr der Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU) mit Jasmin Arbabian-Vogel, der Wirtschaftskreis Hannover mit Ralf Spillmann, die Wirtschaftsjunioren mit Christian Hentschel, Die Familienunternehmer mit Oliver Redschlag, Die jungen Unternehmer mit Konstantin Uplegger, Hannover IT mit Dr.-Ing. Lars Baumann, der Marketing Club Hannover mit Uwe Berger, kre(H)tiv mit Kai Schirmeyer, der Wirtschaftsklub mit Uwe Haster und Gesundheitswirtschaft Hannover mit Frank Kettner-Nikolaus. Übergreifendes Thema: Chancen und Risiken der Digitalisierung.

Gleich beim ersten Vortrag „Digitalisierung – don’t believe the hype“ geriet so mancher der rund 400 Netzwerk-Teilnehmer ins Grübeln: Denn Soziologe und Sozialpsychologe Professor Harald Welzer verglich die Überwachungsaktivitäten von Gestapo und Stasi mit heutigen Datenkonzernen wie Amazon und Facebook – und das mit überraschenden Ergebnissen: „Die wissen mehr über Sie als Sie selbst. Denn mit jedem Klick auf ihr Handy legen Sie eine Datenspur.“ Totalitäre Systeme hätten zwar massenhaft Daten über ihre Geheimdienste mit Hilfe eines aufwändigen Spitzel- und Überwachungssystems erhoben. Das sei jedoch bei der Auswertung der Quellen ein „wahnsinnig mühevolles Geschäft“ gewesen. „Heute geben Sie Ihre Daten selber weiter – und die Konzerne haben sich in Datensammelkonzerne verwandelt“, betonte der Experte. Das sei nicht gut für eine Demokratie, die von der Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit lebe. Zwar garantiere das Grundgesetz die informationelle Selbstbestimmung. Doch diese Kategorie der Privatheit sei aufgrund der von vielen selbst gelegten Datenspuren praktisch nicht mehr vorhanden. „Unsere Gesellschaft lebt vom Geheimnis: vom Arztgeheimnis, vom Informantenschutz der Presse. Vollkommene Transparenz gibt es nur in Diktaturen“, bekräftigte Welzer.

Die Chinesen zeigten gerade, wie das im Zeitalter der Digitalisierung gehe. Ein neues Social Media Credit System sei dort bis 2020 in der Erprobung. Es vergebe seinen Mitgliedern Punkte für Wohlverhalten. „Das Verhalten meiner Freunde spielt damit rein. Wenn mein Bruder beispielsweise Alkoholiker ist, dann wirkt sich das natürlich schlecht auf meinen Score aus.“ Welzers Schlussfolgerungen: Datenkonzerne gebrauchen die Macht, die ihnen sukzessive zufällt. Eine Cloud ist keine Wolke sondern – ganz materiell – eine Fabrik. Daten seien auch nicht der Rohstoff der Zukunft, denn die Wirtschaft lebe von der Umwandlung. „Das Leben ist analog. Sie können keine Nullen und Einsen essen“, rief Welzer den Unternehmern zu. Deshalb werde Leben gut durch gesellschaftliche Auseinandersetzung – und nicht durch Technik.

Herausforderungen der Digitalisierung thematisierte auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies als Schirmherr des 2. Netzwerktags in seiner Videobotschaft: „Die Digitalisierung ist eine riesige Chance. Wir können sie gestalten. Als Ministerium müssen wir eine leistungsfähige Breitbandstruktur fördern und unterstützen. Digitalisierung heißt aber auch Datenschutz. Deshalb verhindern wir nicht die Digitalisierung, sondern gestalten sie gemeinsam.“

Einen ganz anderen Aspekt der Digitalisierung brachte Dr. Andreas Sennheiser zum Schwingen. Der Geschäftsführer von Sennheiser electronic sprach über die Zukunft von Audio – konkret dreidimensionales Hören, von ihm als „Ambeo“ bezeichnet – einer neuen 3D Audio-Technologie von Sennheiser. Diese Technologie entspreche dem natürlichen menschlichen 360 Grad-Hören. „Das ist, als hätten Sie Mikrofone in den Ohren.“ Für seine Kinder sei es real, Pokemons im Garten einzufangen und in ihr Handy zu packen. „Genauso werden wir in wenigen Jahren nicht mehr zwischen Realität und Holografie unterscheiden können. Das ist beängstigend. Ich habe es selber erlebt“, berichtete der Akustiker.

Jedes der elf Wirtschaftsnetzwerke konnte sich anschließend für exakt drei Minuten den Unternehmern im Schloss Herrenhausen vorstellen. Dafür sorgten eine digitale Uhr und Moderatorin Daniela Spott de Barrera. Dann schlug die große Stunde der Menschen im Saal. Sie kamen bei Bier, Wein und Häppchen miteinander ins Gespräch, überreichten sich Visitenkarten und loteten mitunter Chancen für gemeinsame Geschäfte aus – von Angesicht zu Angesicht und damit ganz analog.
Harald Langguth

 

Birgit Feeß hatte die Idee zu den Netzwerktagen und brachte die Akteure zusammen.

 

Dr. Andreas Sennheiser sprach über die Zukunft des dreidimensionalen Hören.

 

Professor Welzer warnte vor den Gefahren der Digitalisierung.

 

Fotos (honorarfrei): Harald Langguth