Die Abfindung – ein Mythos im Arbeitsrecht

Beitrag Recht zum Thema “Die Abfindung – ein Mythos im Arbeitsrecht” vom 12.08.2024

 


Die Abfindung – ein Mythos im Arbeitsrecht


Wer gekündigt wird, bekommt eine Abfindung, oder etwa nicht? Wenn wir in Österreich wären, wäre das richtig. Dort nennt man das „Abfertigung“. In Deutschland ist das nicht so einfach.

Einen allgemeinen gesetzlichen Abfindungsanspruch gibt es in Deutschland nicht. Dass dennoch viele Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine Abfindung erlangen, ist in aller Regel Folge eines Vergleiches, also einer Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens. Dem müssen also beide Parteien zustimmen. Ohne Einigung gibt es nur alles oder gar nichts: die Kündigung ist wirksam oder unwirksam.

Der Arbeitgeber wird nur dann eine Abfindung zu zahlen bereit sein, wenn er davon ausgehen muss, das Kündigungsschutzverfahren zu verlieren. Der Arbeitnehmer wird eine Abfindung nur annehmen wollen, wenn er damit rechnen muss, das Verfahren zu verlieren und dann wenigstens noch einen finanziellen Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhalten möchte, oder wenn er sowieso nicht bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterarbeiten will. Da aber der Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens regelmäßig ungewiss ist und sich das Verfahren über zwei Instanzen durchaus über zwei Jahre hinziehen kann, „teilen“ sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig das Risiko und schließen vor Gericht einen Abfindungsvergleich. Bei ausgewogenen Prozesschancen, also einen völlig ungewissen Ausgang des Verfahrens, wird dann häufig die Formel „pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsentgelt“ angewandt.

Ohne einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht gibt es eine Abfindung nur in folgenden Fällen:

  •  Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wurde ein Sozialplan abgeschlossen, der Abfindungen für die gekündigten Arbeitnehmer vorsieht. Das ist regelmäßig aber nur bei größeren betrieblichen Umorganisationsmaßnahmen und Betriebsschließungen (sog. „Betriebsänderung“) der Fall, die zu Massenentlassungen führen und bei denen der Arbeitgeber mit seinem Betriebsrat zunächst einen sog. „Interessenausgleich“ abschließen muss. So etwas wird im Betrieb normalerweise aber auch allen Betroffenen mitgeteilt.
  • Der Arbeitgeber hat ein solche Betriebsänderung durchgeführt und zuvor noch nicht einmal versucht, mit seinem Betriebsrat einen Interessenausgleich abzuschließen oder er weicht von dem vereinbarten Interessenausgleich ab. Dann haben die Arbeitnehmer, die bspw. infolge der Betriebsänderung gekündigt wurden, einen sog. „Nachteilsausgleichanspruch“ nach § 113 des Betriebsverfassungsgesetzes, der auf eine Abfindung hinausläuft.
  • Arbeitgeber oder Arbeitnehmer (oder auch beide) haben erfolgreich einen sog. „Auflösungsantrag“ in einem Kündigungsschutzverfahren gestellt. Das ist in § 9 des Kündigungsschutzgesetzes geregelt. Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Anträge aber sind keine „Selbstgänger“ und haben nur in Ausnahmefällen Erfolg. Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Es bleibt aber bei maximal zwölf Monatsverdiensten, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, bereits die Regelaltersrente beziehen kann.
  • Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer mit einer betriebsbedingten Kündigung gleich mit dem Kündigungsschreiben an, eine Abfindung zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung klagt. Das ist in § 1a des Kündigungsschutzgesetzes geregelt. Dann hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Abfindung. Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden. Als „Monatsverdienst“ gilt dabei 1/12 des regelmäßigen Jahreseinkommens.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, der eine Abfindung vorsieht. Das führt übrigens keineswegs immer zu einer Sperrfrist beim Bezug des Arbeitslosengeldes oder gar zu einer Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld. Das ist wieder so ein Märchen, das unter Rechtsunkundigen gern erzählt wird.

Für den Arbeitgeber bedeutet das, dass es vor Ausspruch einer Kündigung sorgfältig zu prüfen gilt, wie die Chancen dafür stehen, dass die Kündigung auch einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung standhält. In vielen Fällen kann auch durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine schnelle und rechtssichere Lösung gefunden werden, bei der auch der Arbeitnehmer nicht mit einer Sperrfrist beim Bezug des Arbeitslosengeldes zu rechnen hat. Das alles aber setzt im Regelfall eine fachkundige anwaltliche Beratung voraus.

Bildhinweis: M. Busch

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Mathias Busch
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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